Sechs Forderungen zur Pflege
Pflege muss weiterhin mit hoher Priorität behandelt werden. Den richtungsweisenden Pflegestärkungsgesetzen müssen weitere kurzfristige Reformen folgen. Der Paritätische benennt sechs Forderungen, damit sich die Versorgungssituation von Pflegebedürftigen nachhaltig verbessert.
Finanzierung der Pflege solidarisch, zukunftsfest und gerecht gestalten!
Die Finanzierung von Pflege verstehen wir als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Eine bedürfnisorientierte Pflege muss für jede Person finanziell sichergestellt sein. Aufgrund des Teilleistungsprinzips der Pflegeversicherung stellt Pflegebedürftigkeit ein Armutsrisiko dar. Die Eigenanteile belasten Pflegebedürftige in allen Versorgungsformen – sowohl stationär als auch ambulant – und führen zur Inanspruchnahme von Hilfe zur Pflege aus der Sozialhilfe und zur Unterversorgung. Die notwendige Erhöhung der Personalschlüssel in stationären Einrichtungen sowie die notwendige bessere Bezahlung von Pflegekräften ist mit weiteren Kostensteigerungen verbunden. Für die Refinanzierung gibt es bisher kein politisches Konzept.
Zur Verbesserung der Pflege und zur Reduzierung der finanziellen Belastungen für Pflegebedürftige fordern wir:
- Ausbau der Pflegeversicherung zu einer solidarischen Bürgerversicherung.
- Finanzierung der Behandlungspflege in stationären Einrichtungen durch die Krankenkassen.
- Verbindliche Übernahme der Investitionskosten durch die Länder.
- Die Pflegeversicherung soll grundsätzlich 85% der Kosten für pflegebedingte Aufwände ambulant und stationär übernehmen, so dass die Eigenanteilsquote in allen Pflegegraden 15% beträgt. Der Eigenanteil vermindert sich oder fällt komplett weg, wenn Angehörige weiterhin Pflege und Betreuung sicherstellen. Es soll weiterhin möglich sein, ausschließlich Pflegegeld zu beziehen.
- Steuermittel können aus Sicht des Paritätischen die Einnahmen einkommensabhängiger Beitragszahlungen sinnvoll ergänzen.
Mehr und besser bezahltes Pflegepersonal!
Nur mit verbesserten Arbeitsbedingungen in der Pflege kann die Umsetzung des neuen Pflegeverständnisses gelingen. Dazu zählen eine nachhaltige Personalsteigerung und eine angemessene Vergütung nach tariflichen oder tarifähnlichen Bedingungen.
Zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege sind deshalb folgende Schritte erforderlich:
- Verwendung der Mittel des Pflegevorsorgefonds für ein Personalsofortprogramm.
- Sofortige bundesweite Angleichung des Personalschlüssels in Orientierung an dem gegenwärtig höchsten Personalrichtwert der Bundesländer.
- Verbindliche Umsetzung eines bundeseinheitlichen Personalbemessungsinstrumentes ab 2020.
- Verpflichtung der Pflegeeinrichtungen, die Pflegekräfte tariflich oder tarifähnlich zu bezahlen und Sicherstellung der Refinanzierung auch im SGB V.
Das neue Pflegeverständnis in Einrichtungen verwirklichen!
Mit Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und des neuen Begutachtungsinstruments ist der notwendige Paradigmenwechsel in der Pflegeversicherung endlich eingeleitet worden. Neben den notwendigen konzeptionellen Änderungen sollen Pflegekräfte Rahmenbedingungen vorfinden, um die Lebenswelt der Pflegebedürftigen besser einbeziehen zu können.
Zur Verwirklichung des neuen Pflegeverständnisses fordern wir:
- Es muss gesetzlich festgeschrieben werden, dass die Bundesempfehlungen gem. § 75 Abs. 6 SGB XI mit der Zielstellung zu überarbeiten sind, den neuen Pflegebegriff umzusetzen. Dazu muss es eine inhaltliche Verständigung über Flexibilisierungen und über das veränderte Spektrum pflegerischer Maßnahmen bzw. über die veränderten Schwerpunkte geben.
- Flächendeckende Umsetzung der Zeitvergütung in ambulanten Diensten und mehr Personal in stationären Einrichtungen.
- Förderung von präventiven und rehabilitativen Maßnahmen.
Pflegende Angehörige stärken!
Angehörige leisten einen wesentlichen Beitrag bei der Pflege und Betreuung pflegebedürftiger Menschen. Die Förder- und Unterstützungsleistungen für pflegende Angehörige müssen verbessert werden.
Zur Entlastung pflegender Angehöriger fordern wir folgende Maßnahmen:
- Flächendeckende Sicherstellung von individuellen und unabhängigen Beratungsleistungen.
- Bessere Inanspruchnahme der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege (insbesondere der solitären Kurzzeitpflege) sowie der Tagespflege.
- Bessere soziale Sicherung und finanzielle Absicherung bei Inanspruchnahme von Pflegezeit analog zum Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz.
- Die Heranziehung unterhaltspflichtiger Kinder zum Elternunterhalt in der Sozialhilfe soll analog zu den Regelungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ausgestaltet werden, so dass nur noch das Gesamteinkommen des Kindes oberhalb von 100.000 einbezogen werden kann.
Pflege vor Ort in den Kommunen organisieren und gestalten!
Es braucht eine starke und handlungsfähige Kommune, um im demografischen Wandel die Politik für ältere Menschen vor Ort wirkungsvoll weiterzuentwickeln und zu gestalten – für passgenaue Dienstleistungsangebote, eine altersgerechte Infrastruktur sowie sonstige Rahmenbedingungen.
Zur Stärkung der Kommunen in der Pflege sind deshalb folgende Schritte erforderlich:
- Altenhilfe muss in § 71 SGB XII als Pflichtaufgabe der Kommunen ausgestaltet werden und die Aufgabe des Auffangtatbestandes in der Hilfe zur Pflege gem. SGB XII durch das PSG III muss wieder zurückgenommen werden.
- Entwicklung und verbindliche Anwendung eines Bedarfsbemessungssystems für die Kommunen, um die Bedarfslagen der älteren und pflegebedürftigen Menschen zu erheben und in Zusammenarbeit mit den Akteuren vor Ort erforderliche Angebote zu schaffen (z.B. Begegnungsstätten).
- Stärkung der Zusammenarbeit mit den Akteuren vor Ort, insbesondere mit der freien Wohlfahrtspflege, Betrieben, Bürgerinnen und Bürgern und mit der Selbsthilfe (z.B. durch Netzwerkbeauftragte/Quartiersmanager).
- Förderung wohnortnaher Dienstleistungszentren zu allen Fragen und Diensten rund um Alter, Erkrankung und Pflege durch die Kommunen.
Digitalisierung in der Pflege gestalten!
Digitale Lösungen können z.B. zur Erhöhung der Patientensicherheit beitragen sowie dabei helfen, Schnittstellenprobleme zu überwinden, die bisher zu zusätzlichen Belastungen der Pflegekräfte führen. Digitalisierung wird als Handlungsfeld wichtiger. Die letzte Bundesregierung hatte mit der Digitalen Agenda 2014 bis 2017 das Ziel bekräftigt, die innovative Digitalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft zu fördern und aktiv zu begleiten. Allerdings fehlen bisher gemeinsame ethische Grundsätze für eine gute Digitalisierung in der Pflege.
Zur Gestaltung einer guten Digitalisierung in der Pflege fordern wir:
- Mit der Einrichtung eines Runden Tisches „Digitalisierung in der Pflege“ sollen unter Beteiligung von Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Kostenträgern, Leistungserbringern, Betroffenenverbänden und einschlägigen Fachleuten ethische, technische und qualitative Aspekte für eine gute Digitalisierung im Pflegebereich beraten und Empfehlungen hierzu ausgesprochen werden.
Hier können Sie die Pflegepolitischen Forderungen und den Flyer Gute Pflege ist ein Menschenrecht als PDF-Datei herunterladen.