Die wachsende Zahl von Familien und Kindern, die mit einem Armutsrisiko oder in Armut leben, zeigt, dass sich die Entwicklung der Armut von der guten wirtschaftlichen Entwicklung und dem gesamtgesellschaftlich wachsenden Reichtum in Deutschland abgekoppelt hat. Die Einkommensschere öffnet sich weiter und relative Armut nimmt zu. Damit ist auch eindeutig, dass es nicht gelungen ist, mit den bisherigen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten und familienbezogenen Leistungen prekäre Lebenslagen strukturell zu verhindern.
In Bayern sind mehr als 1,7 Mio. Menschen von Armut betroffen. Dies sind insbesondere Einelternfamilien (davon fast jede zweite Familie) und Familien mit mehr als drei Kindern. Hier ist jede fünfte Familie von Armut bedroht. Der Anteil der in Armut lebenden Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren in Bayern liegt insgesamt bei 16,7 Prozent im Jahr 2015.
Armut ist immer zuerst Einkommensarmut. Diese hat weitreichende Konsequenzen: Sie führt
nicht nur zur Unterversorgung mit normalen Gütern und Leistungen des alltäglichen Lebens, sondern schränkt auch die Handlungs- und Entscheidungsspielräume von Menschen ein, behindert den Zugang zu sozialen und kulturellen Ressourcen und stellt ein Gesundheitsrisiko dar.
Armut als Teil gesellschaftlicher Normalität zu akzeptieren bedeutet auch, die dauerhafte Verletzung von Menschrechten zu akzeptieren und damit den sozialen Frieden zu gefährden. Familienpolitik muss auch auf existenzsichernde Unterstützung von Familien in prekären Lebenslagen, auf Teilhabegerechtigkeit und auf die Verhinderung von sozialer Ausgrenzung und einer Verfestigung von Armut ausgerichtet sein.
Dabei sind Geldleistungen für Familien in prekären Lebenslagen zentral. Wenn Familien auf soziale Transferleistungen angewiesen sind, dann sind sie in der Höhe und der Zugänglichkeit so zu gestalten, dass sie ein Mindestmaß an existentieller Sicherheit und Lebensqualität garantieren und ein nicht stigmatisierender und sanktionsfreier Zugang die Würde, Selbstachtung und Selbstwirksamkeit der auf diese Unterstützungsleistungen angewiesenen Menschen nicht verletzt.
Wesentlich ist hierbei die Umstrukturierung und Neuberechnung der Regelsätze und der Grundsicherung nach SGB XII und SGB II, um Familien und Kindern das verfassungsrechtlich vorgesehene soziokulturelle Existenzminimum zu garantieren, das neben der Absicherung des physischen Existenzminimums auch die soziokulturelle Teilhabe ermöglichen muss.
Das bedeutet:
- Für einen bedarfsgerechten Regelsatz muss dessen Erhöhung für Erwachsene um 28,7 Prozent auf 520 Euro pro Monat erfolgen. Um die Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums anhand eines Warenkorbes zu überprüfen, muss eine Kommission eingerichtet werden, die die Ergebnisse des Statistikmodells unter diesem Aspekt prüft.
- Der Regelsatz für Minderjährige muss zunächst ebenfalls um 29 Prozent angehoben werden. Um eine statistisch verlässliche Grundlage zu erhalten, muss umgehend eine Kommission eingerichtet werden, die ein Ermittlungsverfahren für das soziokulturelle Existenzminimum für Minderjährige erarbeitet.
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Starke Familien - Fundament und Zukunft unserer Gesellschaft
Familienpolitische Position des Paritätischen in Bayern